Seit Jahren leidet Deutschland unter einem immer stärker werdenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in bestimmten Branchen. Laut einer Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2022 betrifft dies im höchsten Maße die Soziale Arbeit sowie die Bereiche Erziehung und Pflege.
Auch die 2002 gegründete Gesellschaft „In der Gemeinde leben“ gGmbH in Düsseldorf (IGL), bekommt dieses Mitarbeiterdefizit stark zu spüren, da sie als Träger der Behindertenhilfe mit ihrem vielfältigen, sozialen Dienstleistungsangebot für fast 200 Menschen an zahlreichen Standorten in Düsseldorf exakt diese drei Bereiche abdeckt.

Während in der Pflegebranche aktuell viele Vakanzen durch Zeitarbeit aufgefangen werden können, bleibt der pädagogische Bereich durch hoch individuelle Betreuungssettings und aufwändige Einarbeitungen hier auf der Strecke. Außerdem ist der Einkauf von Arbeitskräften über Zeitarbeitsfirmen sehr kostspielig. „Dies geht zulasten unserer Betreuten, denen wir natürlich die bestmögliche Versorgung anbieten wollen und die aufgrund ihrer Einschränkungen ein hohes Maß an Kontinuität und Verlässlichkeit benötigen“, sagt der Geschäftsführer der IGL Düsseldorf, Andreas Diederichs.

Daher hat sich die IGL dazu entschieden, ein neues Konzept im Bereich der Angestellten-Gewinnung zu testen: Team „Plan B“ nennt sich dieser innovative Ansatz, der die Vorteile von einer Anstellung in einer Zeitarbeitsfirma mit den Vorteilen einer Festanstellung in einem diakonischen Unternehmen mit verschiedenen Standorten in Düsseldorf bündeln soll.

„Laut einer Mitarbeiterbefragung im Rahmen des Gutachtens zur Zeitarbeit in der Pflege des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) schätzen zwei Drittel der Angestellten in Arbeitnehmerüberlassungen die Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeit. Das möchten wir aufgreifen und unseren Angestellten nicht nur mehr Mitsprache in der Dienstplangestaltung ermöglichen, sondern noch einen Schritt weitergehen. Nach dem Motto ‚Du sagst uns, wann du arbeiten möchtest, wir sagen dir wo!‘ bieten wir allen Kolleginnen und Kollegen im Team „Plan B“ eine weitestgehend freie Gestaltung ihres individuellen Dienstplans“, so Diederichs weiter. „Wir setzen die Mitarbeiter:innen dann zur Entlastung der Stammteams in den entsprechenden Bereichen ein“.  Das betrifft aktuell drei Standorte der IGL, die Menschen mit Schwerst- oder Mehrfachbehinderungen sowie erworbenen Hirnschäden ein Zuhause geben. Gleichzeitig bietet die IGL als familienfreundliches Unternehmen die Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsplatzes mit tariflicher Vergütung, arbeitgeberfinanzierter Altersversorgung sowie Urlaub über den Mindestanspruch hinaus.

„Durch den Mangel an qualifiziertem Personal leidet die Qualität in der Versorgung unserer Klient:innen, die in der Regel einen hohen und individuellen Unterstützungsbedarf haben, sagt Sandra Spelten, Heilerziehungspflegerin und langjährige Mitarbeiterin im Matthias-Claudius-Haus der IGL.  Spelten setzt große Hoffnung in das Team Plan B: „Unsere Arbeit mit den Bewohnern beginnt morgens beim Aufstehen und beinhaltet alle Aspekte des Lebens – bis hin zum gemeinsamen Kochen und der Freizeitgestaltung. Da fehlt es den Mitarbeiter:innen der hiesigen Zeitarbeitsfirmen an Erfahrung und Feingefühl. Für unser Klientel ist es oft sehr schwer, sich immer wieder an neue Menschen zu gewöhnen“. Das Plan-B-Team, das sich in der Testphase aus etwa vier bis sechs Mitgliedern zusammensetzen soll, könnte diese Eingewöhnung für die Bewohner:innen überschaubar halten und gleichzeitig eine gute und angemessene Einarbeitung bieten – anders als es bei Arbeitnehmerüberlassungen der Fall wäre.

Auch für die Angestellten ergäben sich dadurch erhebliche Vorteile. „Viele, besonders junge Menschen wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie. Die traditionellen Dienstpläne im Schichtdienst sind nicht mehr zeitgemäß. Dieses System wollen wir aufbrechen und an die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter:innen anpassen“ führt Diederichs weiter aus. Bewerben könne sich jede:r – sowohl das bereits im Unternehmen verankerte Stammpersonal als auch Externe.

Und was sagt die Zielgruppe? „Die bisherige Resonanz ist gut. Ein Bewerber sagte uns, dass er froh wäre, zwischen drei Standorten wechseln zu können und keinem festen Stammteam anzugehören. Er möchte, wenn er zur Arbeit geht, direkt loslegen und nicht noch in diversen Teambesprechungen seine Zeit absitzen. Er liebe seinen Job und die Arbeit mit Menschen, bräuchte aber keine 2. Familie in Form eines Teams.“ verrät Andreas Diederichs.

Plan B: Das klingt – nicht nur aus Sicht der Geschäftsführung – nach Gewinn für alle Seiten und lässt auf ein langersehntes Ende des Mitarbeitermangels im sozialen Bereich hoffen. Zumindest für jene Träger, die bereit sind, neue Wege zu gehen.

 

Quellen:
https://dvsg.org/service/alle-news/details/fachkraeftemangel-bei-der-sozialen-arbeit-am-hoechsten/
https://www.iwkoeln.de/studien/holger-schaefer-oliver-stettes-zeitarbeit-in-der-pflegebranche.html